Die Yachtmaster Prüfung ist die vermutlich anspruchsvollste Prüfung, der man sich als Skipper unterziehen kann. Jeder, der diese Prüfung bestanden hat, wird mir darin zustimmen. Dabei treffen die aussichtsreichen Kandidaten auf ein geschultes Auge- das auch auf die Details achtet, die man vielleicht gar nicht so im Kopf hat. Als Instructor habe ich viele Prüfungen begleitet und als Prüfer habe ich gelernt, mir von meinen Kandidaten schnell und effektiv ein Bild zu machen.

1. Der erste Eindruck zählt
Ja, ich rede hier in der Tat vom Erscheinungsbild- denn das Erscheinungsbild ist zum einen der allererste Eindruck und hat zum anderen eine gewisse Aussagekraft. Damit meine ich nicht das Erscheinungsbild des Kandidaten- wobei auch in diesem Aspekt eine gewisse Sorgfalt gegeben sein sollte. Wenn man am ersten Tag einer Prüfung schon nicht ordentlich aussieht, wie ist es dann bei einer viertägigen Offshore Passage um den Skipper bestellt? Doch was ich eigentlich meine, ist das Erscheinungsbild des Schiffes. Ein Spaziergang durch den Hafen kann da schon viele Informationen preisgeben.

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Das lange Ende der Festmacher gehört immer an Bord!

Sind die Leinen ordentlich sortiert und an der Reling befestigt, oder liegen sie unbeachtet kreuz und quer? Ist das Segel ordentlich aufgetucht, oder ist es schlampig zusammengebunden? Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Yachtmaster in der Lage sein muss, ein Segel aufzutuchen. (Im Englischen sagt man „to flake a sail“) Leider wird es immer schwieriger, Schiffe zu finden, die keine unsäglichen Lazy Jacks haben.  Und sie heißen nicht umsonst Lazy Jacks! Für einen Yachtmaster ein genauso großes Ärgernis, wie ein Rollgroß.

 

Mein Tipp: Sorg dafür, dass dein Schiff in einem top Zustand ist und alles an seinem Platz ist. Hab eine kleine Checkliste in der Hinterhand, um eine Routine zu entwickeln. Säubere das Deck vor der Prüfung und setz einen Tee auf, wenn der Prüfer das Schiff betritt. Der erste Eindruck zählt, eben nicht nur im Leben sondern auch auf dem Schiff. Wenn Du eine Persenning hast, sollte sie vor Beginn der Prüfung auch benutzt werden.

2. Adminstratives

Das Schiff ist in bester Ordnung und Du bist ebenso aufgeräumt? Sehr gut- diesen Eindruck möchtest Du bestätigen. Daher gilt: Sei vorbereitet. Vor der eigentlichen Prüfung wird der Prüfer die formalen Dinge überprüfen. Daher solltest Du sicherstellen, dass Du alle Dokumente parat hast, die nun benötigt werden.
Diese Dinge brauchst Du für die Prüfung:

Deine Meilennachweise
Du musst nicht nur die 2500 Seemeilen nachweisen, sondern auch 5 Passagen über 60 Meilen, davon 2 als Nachtfahrten und mindestens 4 Tage als Skipper. Die Hälfte der Meilen muss in Tidengewässern absolviert worden sein, Diese Infos müssen aus Deinen Meilennachweisen hervorgehen.

Zusätzliche Qualifikationen
‚- Dein First Aid Certificate
– Dein Short Range Certificate

Für ein Commercial Endorsement
– ein PPR
– RYA Sea Survival
– Seetauglichkeitsbestätigung

Ansonsten
– Application Form
– Passphoto
– Prüfungsgebühr

Wenn Dir zum Tag der Prüfung noch einzelne Qualifikationen fehlen, solltest Du wissen wann Du diese nachreichen kannst. Zum Beispiel ist ein fehlendes First Aid kein Problem, solange der Prüfer weiß, dass du dieses in der Woche nach der Prüfung nachholen wirst. Im Idealfall hat das RYA Training Centre, mit dem Du Dich auf die Yachtmaster Prüfung vorbereitest, diese Dinge schon im Vorfeld geklärt. Ein gutes RYA Training Centre hat außerdem die Application Forms schon parat und hat alle Dokument vorab mit Dir geprüft und ausgefüllt.

Mein Tipp: Besprich vor Antritt Deines Kurses alle offenen Fragen und übermittle Deine Meilennachweise. So bleiben Dir böse Überraschungen vor der Prüfung erspart.

3. Passage Planning

Ein guter Passage Plan muss sorgfältig vorbereitet sein!

Ein guter Passage Plan muss sorgfältig vorbereitet sein!

Wie Du siehst, geht es bei der Prüfung viel darum, dass man zeigen kann, dass man vorbereitet ist. Das gleiche gilt insbesondere für das Passage Planning. Fast immer wird der Prüfer noch während des Trainingstörns 2 Passagen zur Vorbereitung an Deinen Instructor verschicken. Diese Passagen sind zu lange um in der Praxisprüfung wirklich gesegelt zu werden. Dem Prüfer geht es darum, zu sehen, dass Du in der Lage bist, eine richtige Offshore Passage zu planen. Während der Prüfung wird er sowieso ausreichend Gelegenheit haben, zu sehen, ob Du auch in der Lage bist, das Schiff zu skippern.  Einen guten Passage Plan zu erstellen lernst Du bei jedem Yachtmaster Theoriekurs. Ein Passage Plan ist nicht überdetailliert, sondern lässt für verschiedene Variablen Raum. Dabei sollte er immer mögliche Gefahren, Tidal Gates und Tidal Hazards berücksichtigen, die definieren können, wann Der beste Zeitpunkt für den Beginn des Törns ist. Ein guter Plan muss auch ausreichende Optionen für einen Ausweichhafen haben und die Distanzen, ETA, und alles, was in einen Passage Plan gehört, muss berücksichtigt sein.  Das Planen einer Offshore Passage ist ein wesentlicher Bestandteil aller unserer Channel Crossings und Yachtmaster Praxis Intensiv Kurse. 

Mein Tipp: Die Passagen, die für die Prüfung durchgegeben werden, sind in der Regel im Revier des englischen Kanals. Wenn Du über ausreichend Theoriekenntnisse verfügst, bereitet Dich ein Solent Revier Kurs (die Termine findest Du am Ende der verlinkten Seite!) ideal auf das Passage Planning vor. Bei der Kanalüberquerung, die ein Bestandteil des YM Intensivkurses ist, planen wir die Passage gemeinsam und führen diese auch durch!

4. Die Praxis

Jetzt kann die Prüfung beginnen. In der Regel gehst Du während der Prüfung mit dem Yachtmaster Examiner segeln, während Dein Instructor oftmals nicht mehr an Bord ist. So solltest Du auch den Törn nun angehen. You are in charge, du musst keine Fragen mehr stellen, sondern Du führst das Schiff! Und Du hast eben einen netten, in der Regel etwas betagten Mann mit einer Leidenschaft für Tee und Cookies dabei. Neben den Dingen, die man in jeder Prüfung erwarten darf, will ich daher hier auf Dinge eingehen, die einem etwas betagten Segler sicherlich imponieren werden:
Zwei Schritte voraus
Du hast die Aufgabe bekommen, von Southampton nach Newtown Creek zu segeln. Kein Problem- Du hast einen Passage Plan erstellt, und die Pilotage nach Newtown Creek. Ihr nähert Euch dem Hafen mit raumen Wind, da kommt die Überraschung: „Please enter Newtown Creek under Sail!“ Hoppla, darauf waren wir nicht vorbereitet- die Einfahrt nach Newtown Creek ist eng und außer zu Niedrigwasser und Hochwasser kann man hier mit starker seitlicher Strömung rechnen. Wenn man mal drin ist, was die erste Herausforderung ist, wird es sehr schnell sehr untief!  Mit diesen kleinen Aufgaben will der Prüfer sehen, wie schnell Du Dich an eine neue Situation anpassen kannst- und auf was Du zu achten hast. Newtown Creek bietet nur sehr wenig Platz um zu manövrieren. Du bekommst vom Prüfer auch kein weiteres Input- alles andere ist nun Dir überlassen. Wie verhältst Du Dich?

Mein Tipp: Stell immer sicher, dass Du Dich mit Deinem Ziel ausreichend auseinandergesetzt hast. In unserem Fall ist kein Platz zum Manövrieren da. Wenn etwas schief geht, muss der Anker bereit sein, Du brauchst also eine Person am Anker, wenn Du Dich der Einfahrt näherst. Hast Du den Anker zuvor bedient und die Crew eingewiesen? Wenn nicht, bedeutet das nun etwas mehr Stress, den Du vermeiden hättest können. Da es in Newtown Creek Bojen gibt, sollte die Person vorne auch eine Leine und einen Haken für die Boje bereit haben. Der nächste Schritt gilt Deiner Segelfläche. Wenn Du in Newtown Creek unter Vollzeug reinsegelst, wirst Du die Yachtmaster Prüfung nicht bestehen. Ein guter Skipper muss in der Lage sein, vorauszudenken. In diesem Fall muss das Großsegel runter. Das Vorsegel kann dann in Newtown Creek schnell aufgerollt werden. Falls Du ein Ruderschaden hast, weißt Du noch wo die Notpinne war? Stelle als Skipper also sicher, dass Du immer bereits in der Zukunft denkst und im Kopf behältst, was zu tun ist, wenn etwas schief gehen sollte

Comfort  Zone
Jeder Prüfer hat über die Zeit die Gabe entwickelt, die Komfortzone, also den Bereich, in dem sich ein Skipper wohl und sicher fühlt, zu erfassen. In der Prüfung wird er versuchen, Dich aus dieser Komfortzone zu „befreien“! Denn er will sehen, ob Du in der Lage bist, ein Schiff zu skippern, wenn Du eben nicht in dieser Komfortzone gefangen bist. Der obige Fall ist so ein klassisches Beispiel dafür.
Mein Tipp:  Mach Dir schon vor der Yachtmaster Prüfung Gedanken über Deine Stärken und Schwächen und sprich diese an. So gibst Du Deinem Instructor die Möglichkeit, eben an diesen zu arbeiten und Deine Komfortzone zu vergrößern. Auch während einer YM Prep zeichnet ein gutes Training aus, dass die Kandidaten an die Grenze ihrer Komfortzone geführt werden. Begreife das als eine Chance!

Trust your instincts- not the electronics!
Ein Yachtmaster weiß, woher der Wind kommt. Dabei heißt es immer: Für das Segeln brauchst Du nur den Scheinbaren Wind, den Du an den Anzeigen oder dem Verklicker ablesen kannst. Auch wenn das nicht generell falsch ist, nutzt Dir diese Information wenig, wenn es darum geht, Windrichtungsveränderungen oder Böhen vorherzusagen. Viele Skipper neigen dazu, ihren Instrumenten zu vertrauen, anstatt das Große Ganze zu sehen: In diesem Fall reicht ein Blick nach Luv um zu sehen, woher eine Böhe kommt und sich entsprechend darauf vorzubereiten. Ein anderes Beispiel ist der verliebte Blick in den Kartenplotter. Bei einer Nachteinfahrt nach Bucklers Hard nutzt Dir der Kartenplotter gar nichts. Das Fahrwasser ist an manchen Stellen 10 Meter breit und ein GPS Plotter ist in diesen engen Fahrrinnen nicht ausreichend akkurat. Jetzt kommt noch die Strömung dazu, und Du sitzt schneller auf dem Trockenen als du sehen kannst. Dabei geht es hier genau um das Sehen!  Durch das Starren auf den Bildschirm ist die Night Vision verloren gegangen, also die Fähigkeit im Dunklen zu sehen, was das Erkennen der unbeleuchteten Lateralmarkierungen erheblich erleichtern hätte können. Jeder Yachtmaster Examiner wird heutzutage sicherstellen, dass Du die Elektronik an Bord beherrscht und sinnvoll einsetzt- aber von einem Yachtmaster ist zu erwarten, dass er das Schiff auch sicher in den Hafen bringt, wenn die Elektronik mal ausfällt.

Bei einsetzender Dunkelheit helles Licht meiden!

Bei einsetzender Dunkelheit helles Licht meiden!

 

Mein Tipp: Besonders bei Hafenansteuerungen und beim Verlassen des Hafens oder der Bucht ist es ein eindeutiges Indiz, dass Du schlecht vorbereitet bist, wenn Du in der Messe verschwindest und Dich an den Navigationstisch klemmst, während eine nicht gebriefte Crew oben alleine gelassen wird. Daher, und das gilt während der ganzen Prüfung: Sail the Boat- und, so komisch es klingt: Genieße die Prüfung, und begreife sie als eine Chance zu lernen und als Skipper zu wachsen. Wer diese Punkte beachtet, hat sicherlich die besseren Chancen, am Ende der Prüfung eine der anspruchsvollsten Befähigungsnachweise überhaupt erlangt zu haben.


Mein Examiner sagte mir, als ich mir einen Schnitzer erlaubte: Being a Yachtmaster is not about not making mistakes. It is about how to deal with your mistakes!
Falls Du weitere Informationen zum Yachtmaster suchst klicke einfach hier.

In diesem Sinne! Viel Erfolg und immer sicheres Segeln,

Euer Skipper
Michael